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Zurück zur ÜbersichtNotare müssen für Nachlassverzeichnis nicht ohne konkrete Anhaltspunkte ermitteln
Pflichtteilsberechtigte können von den Erben gem. § 2314 BGB ein Nachlassverzeichnis verlangen. Wenn Streit darüber besteht, ob dieses vollständig ist, müssen Notare jedoch nicht alles tun, um den Umfang des Nachlasses zu erforschen. Sie entscheiden vielmehr grundsätzlich nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen im jeweiligen Einzelfall, wie tiefgehend sie nachprüfen. Sie seien nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren. So entschied der Bundesgerichtshof (Az. I ZB 40/23).
Die Erblasserin hatte ihr Vermögen einer ihrer Töchter vererbt, die zweite Tochter war bereits verstorben. Ihren Enkelinnen, den Töchtern der Verstorbenen, hatte sie lediglich eine Immobilie in Österreich vermacht. Die Enkelinnen machten gegenüber ihrer Tante nun ihren Pflichtteil geltend. Im Rahmen des Rechtsstreits hatte ein Gericht ihnen bereits das Recht auf Auskunft durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zugesprochen und die Tante hatte ein solches auch bereits vorgelegt. Damit waren ihre Nichten aber nicht einverstanden. Ihrer Ansicht nach hätte der Notar nach weiteren Bankkonten ihrer Großmutter forschen müssen. Sie beantragten daher, das erste Urteil auf Erteilung der Auskunft durch Zwangsgeld zu vollstrecken.
Damit hatten die Enkelinnen allerdings weder in den Vorinstanzen noch beim Bundesgerichtshof Erfolg, da alle Gerichte den Anspruch bereits als erfüllt ansahen. Der Bundesgerichtshof konkretisierte hierbei die Anforderungen an die Nachforschungspflicht von Notaren. Wenn – wie hier – ein notarielles Nachlassverzeichnis vorliege, sei die Pflicht zur Auskunftserteilung grundsätzlich erfüllt. Hiervon seien einige Ausnahmen anerkannt, wenn sich der Notar z. B. auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränke, die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspreche, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft habe oder in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt sei und beispielsweise Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlten.
Im vorliegenden Fall liege keine dieser Ausnahmen vor. Der Notar hätte keine weiteren Nachforschungen anstrengen müssen. Notare seien in der Ausgestaltung des Verfahrens zwar weitgehend frei, sie müssten allerdings diejenigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Sie seien allerdings nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren. Allenfalls könnte den Erben möglicherweise aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Existenz ihnen unbekannter Konten des Erblassers zustehen. Mangels Entscheidungserheblichkeit vertiefte der Bundesgerichtshof die Ausführungen hierzu aber nicht.
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